Die Frage, die es zu beantworten gilt, ist, was Abstraktion ist und was dieser Begriff, dieser Zustand, diese Tatsache, mit bildender Kunst zu tun haben könnte. Ist das System der bildenden Kunst nicht eher komplett eingebettet in der Abstraktion an sich? Will sagen: nichts spricht dagegen die gesamte Menschheitsgeschichte ebenfalls in die Abstraktion einzubetten. Es kommt auf den Grad der Abstraktion an und wie relativ alles in der Welt zueinander definiert werden kann. Dieser Grad der Abstraktion könnte mit Adorno gesprochen der Weg von der Eiswüste der Abstraktion ins gelobte Land des Konkreten sein – der Weg von einem Extrem des Abstraktion-Kontinuums ins andere. Im Gegensatz zum Abstrakten ist die Flughöhe des Konkreten eher niedrig, die Brennweite eher hoch und die Distanz eher klein. Das Sinnliche der konkreten Kunst ohne jegliches Vorwissen oder Recherche steht im Vordergrund. Aber das Abstrakte mit seiner großen Distanz ist doch nicht weniger sinnlich? Wie konnte es zu so einer Fehlbezeichnung1 kommen in der das Konkrete und das Abstrakte als Gegensätze begriffen werden und die eigentliche Zwei-Seiten-Form, die laut Luhmann für das System Kunst gilt (neu/alt), ignoriert wird? Seit der Konzeptkunst in den 1960er Jahren könnte man auch sagen, dass die politisch-aktivistische Kunst der eigentliche Gegenpol zur abstrakt-konkreten Kunst ist. Ironischerweise ist dies aber heutzutage so zu verstehen: abstrakt-konkrete Kunst = abstrakt und nicht konkret. Ebenfalls: politisch-aktivistische Kunst = abstrakt und nicht konkret. Die einzig wahre konkrete Kunst wäre im System der Politik anzutreffen, da hier streng genommen der eigentliche Begriff des Konkreten zum Einsatz kommt. Denn nur in der Politik wird Abstraktes zu Konkretem für die Gesellschaft. Dies ist mit dem Satz gemeint: Die Eiswüste der Abstraktion muss zunächst durchquert werden (in Adornos Fall die „Negative Dialektik“), um ins gelobte Land des Konkreten (praktische Handlungsanweisungen, die für die Welt sinnliche und körperliche Konsequenzen haben) zu gelangen. Die in dieser Ausstellung versammelten Positionen durchqueren für uns und die Welt teilweise seit Jahrzehnten diese Eiswüste und haben masochistischer Weise auch noch Freude (und Schmerzen) daran. Sie werden nie ankommen, da der Umweg, den sie sich erarbeitet haben, unendlich ist. Ein Glück für uns, die wir die Früchte dieser Arbeit in Form von Kunstwerken ernten dürfen. Oft als erhabene abstrakte Malerei. Manchmal als tightes Konzept. Immer clever und smart. Gern gesehen, wenn humorvoll und absurd. Mega, wenn paradox. Il-Jin Atem Choi, 2025 1 Anscheinend können wir Theo von Doesburg dafür danken. Teilnehmende